 In einer Zeit ultraschneller TGVs und luxuriöser Eurostars sollte die Wiedereinführung der ÖBB-Nightjet-Nachtzüge zwischen Paris und Berlin eine romantische Rückkehr zur goldenen Ära des Eisenbahnreisens sein. Stattdessen wurde sie zum Symbol für Vernachlässigung und Veraltetheit des österreichischen Bahnbetreibers.
In einer Zeit ultraschneller TGVs und luxuriöser Eurostars sollte die Wiedereinführung der ÖBB-Nightjet-Nachtzüge zwischen Paris und Berlin eine romantische Rückkehr zur goldenen Ära des Eisenbahnreisens sein. Stattdessen wurde sie zum Symbol für Vernachlässigung und Veraltetheit des österreichischen Bahnbetreibers.
Reisende, die diese Strecke in der Hoffnung auf eine komfortable Nacht und pünktliche Ankunft wählten, trafen auf Realitäten, wie man sie aus dem 20. Jahrhundert kennt: mangelnde Information, schlechten Service und Wagen, die buchstäblich um ihre Pensionierung bitten.
Basierend auf Passagierberichten – darunter auch meinem eigenen – ist es an der Zeit, zu hinterfragen, warum ÖBB nicht mit europäischen Standards Schritt hält.
Stellen Sie sich vor: Sie steigen abends in Paris in den Zug, träumen von einer ruhigen Nacht in einer Liege und einer morgendlichen Ankunft in Berlin. Stattdessen beginnt der Zug nach einigen Stunden zu verlangsamen, und die Verspätung wächst kontinuierlich. Niemand vom Personal informiert über die Ursache – ob es sich um eine technische Panne, Gleisarbeiten oder schlicht um ein organisatorisches Versäumnis handelt.
In meinem Fall war die Stille ohrenbetäubend. Auf Nachfrage zuckte der Schaffner nur mit den Schultern: „Es gibt keine Möglichkeit, dies weiterzuleiten.“ Keine Erklärung, keine Entschuldigung. Das ist nicht nur ein Mangel an Professionalität, sondern ein klarer Verstoß gegen die grundlegenden Rechte der EU-Fahrgäste, die vorschreiben, dass Bahnbetreiber bei Verspätungen deren Gründe in Echtzeit kommunizieren müssen.
Und wie sieht es mit grundlegenden Annehmlichkeiten aus? An Bord des Nightjets fehlte selbst die Information über WLAN – ein Service, der heutzutage selbst bei Billigfluggesellschaften Standard ist. Fahrgäste suchten verzweifelt nach Hinweisschildern oder Informationsblättern, doch vergebens.
Schlafwagen? Veraltet, mit engen Liegen, die eher an Kapseln aus den 1980er Jahren denn an moderne Betten erinnern. Zu wenig Stauraum für Gepäck, unzureichende Belüftung und allgemeiner Komfortmangel machen die nächtliche Reise zur Tortur.
Als die Verspätung die Stunde erreichte, erkundigte sich niemand nach den Bedürfnissen der Reisenden – obwohl gemäß der EU-Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 bei Verspätungen ab 60 Minuten Speisen und Getränke bereitgestellt werden müssen. ÖBB hatte dies offensichtlich vergessen.
Das Gespräch mit dem Schaffner verschlimmerte die Situation nur. Statt bei der Organisation des Anschlusses (in meinem Fall Berlin–Warschau) zu helfen oder über Entschädigungsansprüche zu informieren – bis zu 50 % des Fahrpreises bei Verspätungen über 120 Minuten – hörte ich lediglich: „Da lässt sich nichts machen.“
Das ist kein Kundenservice, das ist Gleichgültigkeit. Reisende werden sich selbst überlassen, ohne die Unterstützung, die ÖBB in ihrer Werbung verspricht.
Dabei müsste in Zeiten mobiler Apps und moderner Dispositionssysteme die Kommunikation zwischen Bordpersonal und Fahrgästen blitzschnell erfolgen.
Dieser Vorfall ist kein Einzelfall. ÖBB kämpft mit umfassenderen Problemen: Es wurde angekündigt, dass ab Dezember die Nightjet-Verbindungen von Paris nach Berlin und Wien eingestellt werden – aufgrund des Rückzugs des französischen Partners SNCF und budgetärer Kürzungen.
Über sechzigtausend Menschen haben eine Petition zum Erhalt dieser Verbindungen unterzeichnet, was die Frustration der Reisenden und das Bedürfnis nach Erhalt der Nachtzüge deutlich macht. Die Organisation „Back-on-Track Europe“ warnt jedoch davor, dass die „Wiedergeburt der Nachtzüge“ eine Illusion sei, und ÖBB verschärfe die Krise, indem es Bestellungen für neue Wagen reduziere.
Vor diesem Hintergrund erscheinen die Versäumnisse im Umgang mit Verspätungen als Symptom eines tieferliegenden Problems: mangelnder Investitionen in Fahrzeugflotten und Personalqualifizierung.
ÖBB, als österreichischer Eisenbahnriese, sollte Vorbild für Europa sein. Stattdessen ist ihr Nightjet eine Relikte der Vergangenheit, bei der Passagiere einen Premiumtarif für einen mittelalterlichen Service zahlen. Es ist Zeit für Veränderungen: Modernisierung der Wagen, Schulungen für das Personal und strikte Einhaltung der Fahrgastrechte. Andernfalls werden die ÖBB-Nachtzüge bald in Eisenbahnmuseen landen – nicht im Netzwerk des modernen Verkehrs.
Reisende verdienen mehr – denn im 21. Jahrhundert sollte Zugreisen Freude bereiten, nicht eine Geduldsprobe sein.
Die Verspätung des ÖBB-Nightjet-Zuges von Paris nach Berlin in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober betrug 181 Minuten.
Text und Foto: Waldemar Roszczuk (Qw)

 
                                     
                                     
                                     
                                                 
                                                 
                                                 
                                                 
                                                 
                                                